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Warum es so schwer ist sich oder andere zu verändern

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Beitrag  Kernbeißer Do Aug 12, 2010 12:40 am

Der Auschnitt eines Textes von G.Roth hat zwar zum Thema "Mitarbeitermotivation" paßt aber wegen der generellen Aussagen zu zwei Problemkomplexen:
1. Die Veränderung während einer KS und warum sie so schwierig ist
2. Warum Reden kein geeignetes Mittel ist um seine/n Ex wiederzubekommen

"Das Allerwichtigste und zugleich das Allerschwierigste bei der Motivation der Mitarbeiter ist, dass man die Motivations- und Bedürfnisstruktur und damit auch die Möglichkeiten und die Grenzen der Veränderbarkeit der Mitarbeiter genau kennen muss. Dies bedeutet nämlich, dass ein Vorgesetzter sich intensiv mit einem Mitarbeiter auseinandersetzt und seine Wünsche und Bedürfnisse zu ergründen sucht, und das ist letztlich kaum anders als das, was ein Psychotherapeut tut. Der Grund hierfür liegt darin, dass ganz unterschiedliche Ebenen in seinem Gehirn bzw. seiner Psyche an der Verhaltenssteuerung beteiligt sind. Die unterste Ebene ist die der Grundantriebe und Affekte, die das Temperament und den Kern der Persönlichkeit ausmachen, die zweite Ebene ist die der – meist unbewusst erfolgenden – individuellen emotionalen Konditionierung, und die dritte Ebene die der meist bewusst erfolgenden sozialen Erziehung. Während im menschlichen Gehirn die erste und zweite Ebene im limbischen System außerhalb der Großhirnrinde angesiedelt sind, umfasst die dritte Ebene die limbischen Anteile der Großhirnrinde, insbesondere in der rechten Hirnhälfte.

Es gibt noch eine vierte Ebene, nämlich diejenige der sprachlichen Kommunikation, des Argumentierens, der Logik und des Erklärens eigenen Verhaltens vor sich selbst und vor den anderen. Diese Ebene ist vorwiegend in der linken Großhirnhälfte angesiedelt und hat, im Gegensatz zu den anderen drei Ebenen, keinen direkten Zugriff auf die Verhaltenssteuerung, sondern nur in Verbindung mit den anderen drei Ebenen. Dies erklärt, warum rein rationale Argumente und der bloße Appell an die Einsicht nichts nützen. Aufforderungen wie „nun reißen Sie sich mal zusammen!“ oder „die Lage ist dramatisch, jeder muss sich jetzt besonders anstrengen“ sind zwecklos, weil sie nicht auf die besondere Motivationslage des Angesprochenen eingehen. Dessen limbisches Belohungssystem fragt automatisch: „Was habe ich denn davon?“

Üblicherweise geht man deshalb so vor, dass man mit den Mitarbeitern redet und sie nicht nur rational, sondern auch emotional anspricht, an ihre Solidarität appelliert, an frühere erfolgreiche Krisenbewältigungen erinnert und allen Mut zu machen versucht. Dies mag dazu führen, dass sich der Mitarbeiter einsichtig zeigt und besonderen Einsatz verspricht – allein es folgt oft nichts. Der Grund hierfür ist, dass die Überzeugungsarbeit auf der bewussten limbischen Ebene ablief, aber nicht auf die Ebene der unbewussten Emotionen und Motive einwirkte und deshalb keinen Erfolg hatte. Diese Ebene ist aber die eigentlich entscheidende Ebene für Verhaltensänderungen. Dies alles bedeutet, dass wir umso tiefer in das limbische Motivationssystem eindringen müssen, je stärker die Verhaltensänderung ist, die wir bei den Mitarbeitern erreichen wollen. Bloßes Zureden und rein rationale Argumente bewirken überhaupt nichts, der Appell an bewusste sozial-emotionale Motive bewirkt nur wenig, und erst die Einwirkung auf die unbewusste, individuell-egoistische Motivebene ermöglicht stärkere Verhaltensänderung. Diese Einwirkung ist aber das Schwierigste bei der Personalführung.

Eine letzte Überlegung gilt der Frage, warum Menschen sich oft auch dann nicht ändern, wenn der individuelle Vorteil einer Verhaltensänderung klar auf der Hand liegt. Der erste Grund hierfür kann sein, dass ein Mensch von seinem Temperament und seiner Persönlichkeit stark verfestigt und zu keiner Veränderung in der Lage ist. Solche Menschen haben Angst vor jeder Art der Veränderung. Der zweite Grund kann darin liegen, dass ein Mensch in einem bestimmten Betrieb von seiner Persönlichkeit und seiner Motivstruktur her „fehl am Platze“ ist. Der dritte – und häufigste – Grund besteht jedoch darin, dass das Festhalten am Gewohnten, das Weitermachen wie gehabt, eine starke Belohnung in sich trägt. Das Gehirn trachtet immer danach, Dinge zu automatisieren, Gewohnheiten auszubilden, und besetzt dies mit deutlichen Lustgefühlen. Es macht den meisten Leuten Spaß, Dinge effektiv und mit Routine zu tun – Experten zu sein. Am Bewährten festzuhalten, vermittelt zudem das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit und reduziert die Furcht vor der Zukunft. Jede Verhaltensänderung stellt ja ein gewisses Risiko dar.

Das Weitermachen wie gehabt ist also eine starke Barriere gegen Verhaltensänderungen. Geringe Belohnungsaussichten sind deshalb nicht in der Lage, das Verhalten von Personen zu ändern. Menschen fahren deshalb in ihrem Alltag und ihrem Berufsleben fort, Dinge zu tun, die vom rein rationalen Standpunkt für sie nachteilig sind und die sie ändern müssten. Eine Verhaltensänderung tritt entsprechend nur dann ein, wenn sie eine wesentlich stärkere Belohnung verspricht, als es das Festhalten am Gewohnten liefert.

Fassen wir unsere Überlegungen zusammen: Wir haben erstens gehört, dass man Menschen nur in dem Maße ändern kann, wie man ihre Motivstruktur kennt und berücksichtigt. Niemand tut etwas oder ändert sein Tun, ohne dass er dafür belohnt wird! Was aber für den einen eine Belohnung darstellt, ist es für den anderen noch lange nicht. Allerdings ist die eigene Motivstruktur den Betroffenen selbst meist nur teilweise bewusst, teils muss man sie unabhängig von dem, was die Leute einem erzählen, herausfinden.

Zweitens haben wir gehört, dass Verhaltensänderungen entweder durch Strafe, Vermeidungslernen, Belohnung oder Belohnungsentzug erreicht werden können, und dass es hierbei klare Gesetzmäßigkeiten gibt, die leider zu wenig bekannt sind. Strafe und Strafandrohung sind als pädagogisches Mittel zwar immer noch beliebt, aber weitgehend unwirksam. Belohnung und Belohnungsentzug sind am wirksamsten, ihre Wirkung unterliegt aber komplizierten Gesetzen. Eine Belohnung muss sich auf eine ganz konkrete Leistung beziehen. Sie darf nicht zu häufig erfolgen und nicht immer in derselben Weise auftreten, sonst verliert sie schnell ihre Wirkung. Erwartete Belohnungen sind keine richtigen Belohnungen. Belohnungen müssen den geforderten Anstrengungen angemessen sein; ungerechtfertigte Belohnungen verderben die Sitten. Belohnungen müssen zeitnah erfolgen, weit in der Zukunft liegende Belohnungen sind kaum wirksam. Schließlich muss eine Belohnung deutliche Vorteile mit sich bringen, denn jeder Verhaltensänderung steht die Tatsache entgegen, dass Weitermachen wie bisher eine starke Belohnung in sich selbst trägt. Die meisten Menschen haben Angst vor Risiken und nehmen dafür beträchtliche Nachteile in Kauf.

All das hört sich nach Tierdressur an und könnte menschenverachtend wirken. Ein solcher Vorwurf ist aber ungerechtfertigt. Man muss die geschilderten Zusammenhänge nur in das Alltagsleben der Menschen übersetzen, um zu sehen, dass es sich tatsächlich um Gesetzmäßigkeiten der Möglichkeiten und Grenzen der Verhaltensänderung handelt, die man beachten muss.

Letztlich gilt aber, dass es keine externe, sondern immer nur eine interne Motivation gibt. Jeder Versuch, das Verhalten eines Menschen zu ändern, ist nur in dem Maße erfolgreich, wie er die Motivationsstruktur des Individuums berücksichtigt. D. h. man kann Individuen nur in dem Maße ändern, wie es ihre Motivstruktur erlaubt. Niemand kann gegen seine Motivstruktur verändert werden – es sei denn, man zerstört seine Psyche, wie dies bei einer „Gehirnwäsche“ geschieht."


*****


* Zum Autor:
Gerhard Roth, geb. 1942, Studium der Philosophie, Germanistik und Musikwissenschaft, 1969 Promotion im Fach Philosophie; 1969 bis 1974 Studium der Biologie in Münster und Berkeley; 1974 Promotion im Fach Zoologie; 1976 Professor für Verhaltensphysiologie an der Universität Bremen; seit 1989 Direktor des Instituts für Hirnforschung an der Universität Bremen; 1997 Ernennung zum Gründungsdirektor des Hans-Wissenschaftskollegs in Delmenhorst.
Forschungsgebiete: Neurobiologische Grundlagen der kognitiven und emotionalen Verhaltenssteuerung bei Wirbeltieren, Entwicklungsneurobiologie.

Kernbeißer

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